We'll always have Kyoto 〈京都〉
Exkursion nach Kyoto. Tempel, Schrein, Samurairesidenzen und Nintendo. Rotenburo und Herons, Israelische Freunde und Chinesinnen im Kimono.

Nachdem Geschäftspartner von Benjamin aus Israel nach Kyoto kamen, entschlossen wir ein Treffen mit einem Urlaubswochenende zu verbinden.
Kyoto, das ist die alte, langjährige Hauptstadt des Landes (das erste Kanji, Kyo 〈京〉, steht für Hauptstadt und ist dasselbe wie in To-kyo 〈東京〉, was wiederum östliche Hauptstadt heisst). Das Zentrum von Kultur und Tradition. Das Paris Japans. Die Stadt, die beinahe Ziel der Bombe von Nagasaki geworden wäre...
Ähnlich wie in Paris gibt es auch hier ein Tourismusproblem. Ähnlich wie in Paris ist es die chinesische Landbevölkerung, die sich hier besonders würdevoll verhält. Aber trotzdem. Wunderschönes, faszinierendes Kyoto.
Wir beginnen unsere Reise am Freitag mit Mittagessen in Tokyo Station (Udon Nudeln verlangt Charlotte) bevor unser Zug um 13:00 in Richtung Kyoto aufbricht. Wobei eigentlich beginnt es schon etwas früher: statt wie gewohnt mit der Bahn zu fahren, müssen wir ein Taxi nehmen denn es schüttet. Und zwar so stark wie nur alle hundert Jahre.

Charlotte schläft nach dem Essen in der Trage und wenn man einmal in das Labyrinth Tokyo Station eingetaucht ist, bleibt man auch trocken.

Beim Besteigen des Shinkansen geht wie gewohnt alles problemlos und hocheffizient zu. Wenn man zuviel nachdenkt, könnte es einem ja Sorge bereiten, dass die Standzeit des Zuges am Gleis nur zwei Minuten sind. Aber wenn man dann in geordneter Schlange an der auf dem Gleis fest eingezeichneten Türmarkierung einsteigt, ist das alles gar kein Problem.

Die Fahrt beginnt. Wie gewohnt beschleunigt der Zug kontinuierlich sanft, mit kurzen Zwischenstops im Vorort Bahnhof Shinagawa und Yokohama, aus dem Stadtgebiet der Metropolreigon Tokyo hinaus und erreicht schon bald seine 330 km/h Reisegeschwindigkeit.
Da wir den Superexpress Nozomi gebucht haben, ist unser nächster Halt planmäßig Nagoya. Nach ca. einer Stunde Fahrt passieren wir aber die lila Regenwand:

Die Scheiben sind irgendwann komplett von Wasser umspült und der Zug beginnt an Geschwindigkeit zu verlieren und kommt schließlich zum Stillstand. Nichts geht mehr.

Charlotte unterhält sich prima mit Stickern und Buch lesen. Wir sind sehr froh, dass wir ihr einen eigenen Sitz gebucht haben. Sie könnte umsonst fahren — wenn sie bei uns auf dem Schoß sitzt. Gute Investition. Irgendwann wird der Regen besser, es geht weiter und mit 2h Verspätung kommen wir in Kyoto an und machen uns per Taxi auf ins Hotel.
Marufukuro Kyoto
Tatami + Nintendo + Art-Deco
Als Unterkunft wählten wir das Marufukuro 〈丸褚〉 Hotel. Es handelt sich dabei um das ehemalige Hauptquartier von Nintendo, welches seit 2022 als Hotel geöffnet hat. Nintendo hat eine über 125-jährige Geschichte und begann als Spielkartenhersteller das Leben. Die damalige Manufaktur, integriert ins Wohnhaus der Eigentümerfamilie Yamauchi, wuchs über die Jahre und wurde immer weiter ausgebaut. Im Jahr 1959 zog die Firma in ein traditionelles Bürohochhaus um. Seitdem stand das Gebäude leer und wurde lediglich als Lagerraum benutzt.
Seit 2022 ist es nun ein Hotel, welches von Ando Tadao um einen Erweiterungsbau ergänzt wurde.



Unser Heim für die nächsten beiden Tage soll die japanische Suite mit Außenbad (Rotenburo 露天風呂) sein.

Bevor wir das alles erkunden können, müssen wir aber etwas zu essen für Charlotte und uns finden - denn es ist alles sehr spät geworden. Zu später Stunde wagen wir keine Experimente und so gibt es italienisch (gute Pizza, super Pasta) und 90min später fährt die kleine Nachteule im Taxi gen Bett.
Gestärkt und hundemüde schläft Charlotte im 220cm breiten Super King Bett seelig, während die Eltern noch den Schmutz des Tages im Rotenburo hinter sich lassen. Beziehungsweise davor. Aber das wird irgendwann ein eigener Beitrag im Blog unter dem Stichwort "Badekultur".

Am nächsten Morgen begegnen wir auf dem Weg zum Frühstück verschiedenen Reihern und Katzen - die sich alle um die gleichen Fischreste streiten.

Ein magischer Moment unter strahlendem Sonnenschein.

Wir machen uns nach einem fantastischen Frühstück auf den Weg zum Philosophenweg, einem wunderschönen Spaziergang durch Kyotos Stadtrand.
Am Ende des Weges landen wir in einem der zahlreichen UNESCO Weltkulturerbe Tempeln der Stadt: Ginkaku-ji.



Der Tempel des Silbernen Pavillions — Ginkaku-ji
Dabei ist es meiner Erfahrung nach in Kyoto gar nicht immer so gut den größten und berühmtesten Schrein bzw. Tempel zu besuchen. Die kleineren, weniger bekannten, haben oftmals eine genauso tolle Atmosphäre und leiden nicht so unter dem Tourismus.
Als wir zum Beispiel am nächsten Tag gemeinsam mit unseren israelischen Gästen unterwegs waren, bemerkte einer, dass in Kyoto noch auffällig viele Japaner Kimono tragen. Auf den ersten Blick mag das so erscheinen. 99% aller Frauen im Kimono sind allerdings Chinesinnen oder Koreanerinnen auf der Suche nach dem nächsten Instagramspot...

Oder besser noch gleich die 120kg Dame aus der euro-amerikanischen Provinz. So geht dann auch der tausendjährige Anmut der Kulisse zugrunde (ohne Abb.).




Alltag in Kyoto
Trotzdem. Magisches Kyoto. Wie Paris oder Venedig. Immer eine Reise wert.
— cjb aus Minamisenzoku (!)